Casinospiele und Zeitgeist
Über den Zeitgeist zu diskutieren hat bekanntlich seine Tücken und so sind es dann auch in erster Linie wechselhafte, unstete Bereiche wie die Mode oder auch die Musik, welche versuchen, dem vor- und angeblichen Zeitgeist Ausdruck zu geben. Erstaunlicherweise beschäftigen sich weder der Laie noch der Kulturwissenschaftler mit dem Casino als einer zweifelsohne sehr deutlichen und umfassenden Folie für das aktuelle Geschehen, nehmen doch Spielautomaten und überhaupt jede Form des Glücksspiels immer einen Ausdruck der aktuellen Zeit, des Denkens und Fühlens der Menschen, auf und verarbeiten dies beinahe künstlerisch in eine lukrative Form der Unterhaltung.
Gespielt wird, was verboten ist: Die Historie
Aus Nietzsches Unzeitgemäßer Betrachtung wissen wir, dass die Historie vor allem als Beispiel und Ansporn für Höheres dienen sollte und so ist die Betrachtung der Glücksspiels im Laufe der Geschichte nicht nur amüsant, sondern auch sehr lehrreich. Egal ob Römer, Sumerer oder Germanen – im Altertum wurde überall gezockt und das obwohl es streng verboten war! Zwar huldigten die römischen Cäsaren gern dem Panem et circenses und veranstalteten die wildesten Spektakel in ihren Arenen, doch das Gamblen vor allem mit dem Würfel in den Tavernen wurde hart bestraft. Was war hier der Zeitgeist? Zocken, Wetten, Spielen galt in der Antike und später natürlich auch im super biederen Mittelalter als Laster und war als Zeitvertreib höchstens den oberen Zehntausend vorbehalten, so dass vor allem die Kirche die vorgebliche Ordnung Gottes durch Spielkarten in Gefahr sah. Auch hier änderte sich der Zeitgeist im Zuge der Renaissance, als zunächst die italienischen Staaten die Chance an zusätzlichen Steuern erkannten und den altrömischen Gedanken vom Brot und den Spielen für das Volk zu neuer Geltung brachten. Daran hat sich bis heute nicht viel verändert und der Staat gibt heute ganz offen zu, dass es vor allem um die Glücksspielsteuer geht, das eigentliche Zocken jedoch jedem selbst überlassen bleibt.
Laissez-faire oder Kontrolle: Las Vegas und die DDR
Die Welt bietet heute einige berühmte Vergnügungsorte und natürlich ist Las Vegas der bekannteste Tempel der Versuchung. Hier konnte sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert die Glücksspielindustrie ausbreiten, weil im Staate Nevada ein laxes Politikverständnis a la Laissez-fair vorherrschte und heute finden sich in Macau oder Atlantic City ähnliche Einrichtungen, die einzig und allein der menschlichen Leidenschaft für das Casino huldigen. Das ist Zeitgeist per excellence, denn wie viele andere Bereiche auch wird das Glücksspiel am liebsten auf bestimmte Orte, Städte, Spielhallen und Spielotheken konzentriert, was das Ganze zum einen kontrollierbar, zum anderen aber auch ausgezeichnet kommerziell und damit steuerlich nutzbar macht.
In der DDR zeigte sich übrigens noch vor wenigen Jahrzehnten ein sehr lehrreiches Gegenteil. Dort wurden alle Spiele genau überprüft und typisch „westliche“ Erfindungen wie der Spielautomat waren verboten. Logisch, denn der Slot ist ein echtes Symbol für das Glück und dieses sollte im Sozialismus bekanntlich nur durch harte Arbeit der Werktätigen erreicht werden – und nicht durch einen zufälligen Algorithmus! Aber auch Brett- und Tischspiele waren vor der Zensur nicht sicher und so zeigt die Verbindung von Casino und Zeitgeist immer auch ein wenig den eigentlichen Zustand der politischen Hintergründe eines Systems.